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MEDIA RESEARCH BLOG

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Die Positionierung der Medien in Zeiten von Krisen

Die Positionierung der Medien in Zeiten von Krisen

03.05.2020

Zum internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai betont Wolfgang Schulz die große Bedeutung des Journalismus in Zeiten von Krisen und fordert, institutionell zu lernen, wie die Rolle und Verantwortung von Journalist*innen und Anbieter*innen von Kommunikationsplattformen in der Krise ausgestaltet werden können.
Am Institut hatten wir vor vielen Jahren Besuch von einer Delegation aus Kolumbien. Die Gäste interessierten sich sehr für unsere Forschung und wir berichteten mit gewisser Emphase über komplexe Formen der Selbst- und Ko-Regulierung im Jugendmedienschutz und sie hörten aufmerksam zu. Auf meine Frage, was denn die Hauptherausforderung im Medienbereich bei ihnen sei, sagten sie, dass jedes Jahr mehr Journalistinnen und Journalisten ermordet werden. Es gibt Momente da wird einem mit einem Anflug von Beschämung klar, dass wir uns häufig mit Themen befassen, die aus anderer geografischer Perspektive als Luxusprobleme erscheinen müssen.
Freiheit der Medien auch in Europa gefährdet
Diese globalen Unterschiede gelten weiter, auch wenn die Freiheit der Medien auch in einigen Europäischen Ländern zunehmend strukturell gefährdet wird, oft Hand in Hand mit Maßnahmen, die die Axt an die Unabhängigkeit der Justiz legen. Diese Parallelität im Vorgehen von Regierungen, die eine Kontrolle ihrer Macht einschränken oder ganz unterbinden wollen, legt nahe, dass die eher metaphorische Rede von den Medien als „vierter Gewalt“ so falsch nicht ist. Und während wir sehen, dass nicht-journalistische Inhalte auch für die politische Kommunikation an Bedeutung zunehmen, sind es doch immer noch die Medien, die Themen so setzen können, dass Politik sich mit ihnen befassen muss und auch das Ignorieren ein folgenreiches Statement ist, das das Amt kosten kann. Deutschland hat mit seiner Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union in der zweiten Hälfte 2020 die Chance, dieses Problem der Erosion der Medienfreiheit deutlich zu markieren und Lösungswege vorzuschlagen.
Auswirkung der Corona-Krise auf die Medien
Auch hierzulande hat die Corona-Krise die Medien gefordert, und zwar sehr grundlegend in ihrem Rollenverständnis im Verhältnis zur Regierung. Dass Virologen als Seher oder Stars inszeniert werden, scheint fast folgerichtig, dass die Produktion von fiktionalen Inhalten zusammenbricht und die Angst vor der leeren Programmfläche die Planer erfasst, macht besorgt. Mit Blick auf die demokratische Funktion journalistischer Inhalte zeigt sich aber ein anderes Problem, ein Widerspruch der Anforderungen, der schwer auflösbar erscheint.
Die Rolle des Journalismus in der Krise
Bei der Eindämmung der Krise, so konnte man etwa in der New York Times lesen, beruht der relative Erfolg Deutschlands neben der Labor- und Krankenhausinfrastruktur auf dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Regierung. Da mag etwas dran sein, obwohl sich derartige Kausalitäten kaum beweisen lassen. Was ist in dieser Situation die Rolle des Journalismus? Seine Aufgabe sollte sein, die Vertrauenswürdigkeit der Regierenden beständig zu testen und herauszufordern, Vertreterinnen und Vertreter anderer Realitätsdeutungen publizistischen Raum zu geben und alternative Handlungsmöglichkeiten zur Diskussion zu stellen. Das kann in diesem Falle aber Vertrauen und in letzter Konsequenz Menschenleben kosten, wenn aufgrund der Verunsicherung Bürgerinnen und Bürger Quarantänemaßnahmen ignorieren. Insofern geht es jetzt auch hierzulande nicht um Luxusprobleme, sondern um Menschenleben. ​Dies auszubalancieren war und ist für viele Redaktionen eine heikle Aufgabe. Zunächst dominierte ein Vorgehen, bei dem viele Medien wenig Distanz zur Regierung und zu führenden Experten (in der Regeln Männer) zeigten, nun sehen wir mehr Nuancen, mehr Vielfalt.
 
Ein ähnliches Dilemma trifft auch die Online-Plattformen. Sie wollen eigentlich Inhalte nicht selbst bewerten, können dies aber angesichts gefährlicher Falschinformationen nicht durchhalten. Der Verweis auf „vertrauenswürdige Quellen“ soll eigene Bewertungen ersetzen, aber die Auswahl der Quellen ist natürlich selbst eine voraussetzungsvolle Bewertung. Regierungen gelten typischerweise als solche Quellen, aber gilt das noch für das Weiße Haus?
… und die Rolle der Medienforschung
Die Rolle der die Medien beobachtenden Wissenschaft liegt naturgemäß in der Reflexion diese Vorgänge. Einige haben sich kritisch zu Wort gemeldet, so etwa unser ehemaliger Direktor Otfried Jarren. Die Reaktion, etwa von Werner D'Inka in der FAZ, war erbost und fiel in alte Differenzen (im Sinne des „was versteht ihr schon von der Praxis“) zurück.
 
Reflektierende Wissenschaft kann in der aktuellen Situation nicht viel tun, sie kann aber versuchen, aus der Distanz hilfreiche Differenzen anzubieten. Dazu kann gehören, dass es einen Unterschied für den Umgang mit Fehl-Informationen macht, ob ein Handeln auf der Grundlage dieser Information unmittelbar Menschen gefährdet oder ob noch Diskurse dazwischengeschaltet sind, in denen sich die Gesellschaft über die Richtigkeit der Inhalte verständigen kann. Die Idee, bei Corona helfe es, Desinfektionsmittel zu injizieren, kann daher von Social-Media-Angeboten anders gefiltert werden als die These, der Klimawandel sei nicht menschengemacht. Beides ist wissenschaftlich abwegig, aber nur das erste unmittelbar gefährlich.
Meinungs- und Pressefreiheit sind auch in Krisenzeiten unverzichtbar
Auch unverrückbare Grenzen können wissenschaftliche Betrachtungen deutlich machen und damit stabilisieren. So hat der Professor für Systematische Theologie und ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, mit dankenswerter Deutlichkeit klargemacht, dass „Diskussionsverbote“ – etwa über das, was nach dem Lockdown kommt – in einer freien Gesellschaft auch dann keine Option sind, wenn sie die Pläne zur Pandemiebekämpfung potenziell beeinträchtigen.
 
So, wie wir nach der Pandemie darüber nachdenken müssen, was man aus der Krise über die Produktionsvorräte von Schutzkleidung oder über Verfahren der Impfstoffherstellung für die Zukunft lernen kann, sollten wir auch versuchen, institutionell zu lernen, wie die Rolle und Verantwortung von Journalistinnen und Journalisten und Anbietern von Kommunikationsplattformen in der Krise ausgestaltet werden können. Der nächste Tag der Pressefreiheit ist hoffentlich ein Tag, an dem wir die Krise hinter uns gelassen haben, uns wieder näherkommen und diese Erfahrungen festhalten können.
 

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