Der Staat kann sich im Gegensatz zu seinen Bürgern bei seiner Kommunikation nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit stützen. In seinem Dissertationsvorhaben beschäftigt sich Tobias Mast mit den rechtlichen Vorgaben für die Kommunikation des Staates mit seinen Bürgern.
Welchen rechtlichen Vorgaben unterliegt der sich an die Allgemeinheit wendende kommunizierende Staat? Seit Eintritt des Staates ins Zeitalter der Informationsgesellschaft breitet dieser sein Arsenal an Handlungsinstrumenten aus und entwickelt ein neues eigenes Rollenverständnis hin zu einem interaktiven, den einzelnen Bürger in seiner Lebensführung und Entscheidungsfindung unterstützenden Partner. Zu der Vielzahl aktiver informationeller Erscheinungsformen zählen einerseits alt hergebrachte Tätigkeiten wie die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit, das Berichterstattungswesen der Verfassungsschutzbehörden und Warnungen und Empfehlungen im Lebensmittel- und Umweltbereich. Neuerdings treten auch Phänomene mittelbaren oder kollaborativen Informationshandelns auf, wie etwa der von öffentlichen Krankenkassen angebotene „Ärzte-TÜV“. Trotz Bedeutung und Aktualität der Thematik steckt vor allem die Ausarbeitung und Konkretisierung inhaltlicher und prozeduraler Grundsätze sowie deren Prüfung auf Allgemeingültigkeit noch in den Kinderschuhen. Ziel der Promotion ist es daher, Erkenntnisse über allgemeingültige dogmatische Voraussetzungen und Beachtensregeln zu erlangen, um auf diese Weise einen Beitrag zur Rationalisierung und Vereinheitlichung staatlicher Informationstätigkeit zu leisten.
Projektbeschreibung
Aktive staatliche Informationstätigkeit im Sinne staatlicher Äußerungen, die nach außen an die Allgemeinheit publiziert werden, ohne einen Rechtsanspruch zu enthalten, geraten seit Beginn der 90er Jahre als rechts-wissenschaftlicher Forschungsgegenstand verstärkt ins Blickfeld der Fachöffentlichkeit. Grobziel der Arbeit ist es, inhaltliche und prozedurale Grundsätze auszuarbeiten und diese auf Allgemeingültigkeit beziehungsweise Differenzierungsnotwendigkeit nach Staatsorganen oder zu erfüllender Funktionen hin zu überprüfen. Rechtsprechung und Rechtswissenschaft haben im Laufe der Zeit einige Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und Grundsätze entwickelt, die der Staat im Rahmen seiner aktiven Informationstätigkeit beachten muss. Da die primäre Rechtsquelle insofern (höchstrichterliche) Kasuistik ist, besteht aber noch keine ausgereifte Dogmatik. So wurden etwa die Grundsätze der Sachlichkeit, Richtigkeit und Vollständigkeit vom Bundesverfassungsgericht für staatliche Äußerungen gefordert.
In anderen Entscheidungen wurde auf das Erfordernis einer vorherigen Anhörung von der Information Betroffener hingewiesen. Ob sich diese Wertungen jedoch verallgemeinern lassen und was diese überhaupt inhaltlich fordern ist aber meist unklar. Während andere Bereiche des Informationsrechts, etwa Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sehr stark ausdifferenziert sind und dort mit technischen und tatsächlichen Entwicklungen standgehalten wird, ist im Bereich aktiver staatlicher Kommunikation eine weniger konsistente Dogmatik gegeben. Seit den wegweisenden Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen „Osho“ und „Glykol“ im Jahr 2002 hat sich wenig bewegt. Und das obwohl die Erscheinungsformen immer ausdifferenzierter und vielfältiger wurden. Inzwischen hat die Öffentlichkeitsarbeit der Behörden sowohl auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene stark zugenommen. Viele örtliche Polizeipräsidien verfügen inzwischen über eine Social-Media-Präsenz und auch die Bundesregierung informiert die interessierte Bürgerschaft über ihr eigenes eingerichtetes Facebook-Profil. Neben die klassischen Fragestellungen des Erfordernisses einer Rechtsgrundlage und der Eingriffsqualität rein informaler Verwaltungstätigkeit sind hierbei auch neue getreten: Darf die Polizei etwa, wie es ständige Verwaltungspraxis ist, Teilnehmer einer Versammlung auf ihrer Internetpräsenz duzen? Gelten die strengen inhaltlichen Anforderungen an Staatskommunikation auch für kollaborative Informationsplattformen, die primär von Bürgern mit Informationen gefüllt werden? Bestehen neben den vom Bundverfassungsgericht genannten inhaltlichen Grundsätzen noch weitere? Und wie sind diese voneinander abzugrenzen? Dies sind nur einige der hierbei auftretenden und noch weitgehend ungeklärten, aber relevanten Fragen. Denn die genannten inhaltlichen Grundsätze der Richtigkeit, Sachlichkeit und Vollständigkeit der Information sind bei aktiver staatlicher Tätigkeit in besonderer Weise relevant. Im Gegensatz zu Konstellationen der reaktiven Tätigkeit, auf einen Antrag etwa aus IFG, UIG, VIG oder dem Landespressegesetz hin, ist die zu äußernde Information nicht bereits durch das Begehren abgesteckt. Zudem besteht besonders bei aktivem Handeln die Gefahr, dass Werteinschätzungen der staatlichen Stelle (im Gegensatz zu Tatsachenäußerungen) in unsachlicher, reißerischer oder unangebracht parteiergreifender Weise geäußert werden. Zu solchen Handlungen ist aber nur der Bürger unter Berufung auf seine Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG berechtigt. Staatliche Stellen haben sich dagegen nicht „nach Lust und Laune“ zu artikulieren, sondern zur Aufgabenerfüllung im Rahmen ihrer Kompetenzen. Auch in diesem Bereich der inhaltlichen Konkretisierung der Grundsätze bestehen noch viele ungeklärte Fragen.
Schon der Inhalt der obigen Grundsätze wird häufig unreflektiert behauptet. So ist etwa keineswegs klar, dass Information immer vollständig zu sein hat, denn es ist auch das Extrem eines „information overload“ zu vermeiden, welcher zu Unübersichtlichkeit und Verwirrung bei den Adressaten führen könnte. Auch ob das Gebot der Richtigkeit uneingeschränkt und absolut gilt, oder ob stattdessen unter Umständen auch ein staatliches Recht zur Lüge bestehen könnte, wurde erst vereinzelt diskutiert. Zu all diesen Fragen möchte das Promotionsprojekt Antworten finden. Hierbei wird von besonderer Relevanz sein, ob die gefunden Ergebnisse für jegliche staatliche Stelle – von der Bundesregierung bis zum Landratsamt – gelten oder ob mit Hinblick auf die unterschiedlichen Funktionen und Befugnisse nicht andere Ergebnisse adäquat erscheinen.